Handmaid’s Reality

Handmaid’s Reality

von Konstanze Kriese

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Was bisher geschah

Niemand wusste, was sich hinter der Hans-Bremse verbarg, bis sich im Herbst 2018 eine Whistleblowerin der ZEIT anvertraut: ››Es ist ein fast surrealer Moment… nun sitzt da eine Ministerialbeamtin, umklammert ihre Teetasse und sagt, sie erzähle nur unter einer Bedingung: keine Namen. Öffentlich gegen ihre Vorgesetzten auszupacken, das wagt sie nicht, trotz allen Frusts. Es würde ihre Situation nur verschlechtern, sagt sie: ›Das System verzeiht so etwas nicht.‹‹‹ Hinter den Offenbarungen an einem geheimen Ort, mitten in Deutschland, steht die Tatsache, dass von den 692 verbeamteten Staatssekretärinnen und Staatssekretären, die seit 1949 im Amt waren, vierundzwanzig auf den Vornamen Hans hörten, 19 Frauen waren und 18 Karl hießen.

 

2019 – Feiert die Frauen!

100 Jahre Frauenwahlrecht. Das Land Berlin führt den 8.März 2019 als gesetzlichen Feiertag ein. Ein Drittel aller Berlinerinnen und Berliner findet das richtig. Die IHK sieht die Wirtschaft schrumpfen. Der Reformationstag ist viel bekannter, meint ein CDU-Abgeordneter. Die öffentlich-rechtlichen Sender leisten zu diesem Gleichstellungs- und Repräsentations-Schnappschuss ihr Bestes: ››In deutschen Fernsehserien sind 62 Prozent der Hauptakteure Männer. Bei Informationsprogrammen sind es gar 68 Prozent und wenn Experten zu Wort kommen, dann sind es in 79 Prozent der Fälle Männer.‹‹ Frauen sind ››unsichtbar oder supersexualisiert.‹‹

 

Rückblende: Frauen, befreit euch!

››Die Antibabypille revolutionierte das Sexualleben: Sie ermöglichte Frauen freiere Lebensplanung und sexuelle Selbstbestimmung. Ihre Wirkung auf den Zeitpunkt der Eheschließung und die Geburtenrate lassen die Gegner in manchen Ländern bis heute nicht verstummen.‹‹ So moderiert SPIEGEL-Online seit vielen Jahren eine Artikelsammlung zum Stichwort ››Antibabypille‹‹ an. Wie und wessen Sexualleben die Anti-Babypille revolutionierte, bleibt dabei gut gehütetes Geheimnis der SPIEGEL-Redaktion. Die Anti-Babypille ist, im Unterschied zur 68er-Studentenbewegung, tatsächlich eine schichten- und klassenübergreifende Generationserfahrung von Frauen. Wann, jedoch, ist dieser Pille der revolutionierende  Einfluss auf das Sexualleben oder das Hormon für eine freiere Lebensplanung von Frauen injiziert worden? Mit welchem Interesse wird eine wie aus dem Nichts auftauchende sexuelle Selbstbestimmung konstatiert, nur weil Frauen nicht mehr und nicht weniger als die volle Autonomie wie Verantwortung bei der Verhütung bekommen konnten, samt Pferdefuss der gesundheitlichen Konsequenzen und der Kosten der Verhütung? Woher kommt der mythische Automatismus, dass sichere Verhütung eine von jeder sozialen Lage von Frauen befreite Sexualität losgetreten hätte? 1977 durften verheiratete westdeutsche Frauen zwar berufstätig sein, aber nur, wenn das ››mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar‹‹ war. 2010 sind gerade mal 66,3 Prozent der Frauen in Deutschland berufstätig, was gegenüber den 47,6 % Erwerbstätigkeit von Frauen 1960 gemeinhin als Erfolg gewertet wird. Dass dieser Anstieg auch der inzwischen rückläufigen ››ungebrochenen Erwerbsneigung ostdeutscher Frauen‹‹[i] zu verdanken ist, wird gern übersehen. Sexuelle Selbstbestimmung lässt sich nur mit blinder Naivität oder einem vitalen Herrschaftsinteresse von ökonomischer Unabhängigkeit abkoppeln.

Sachinformationen und Werbung preisen bis heute die Unbedenklichkeit und Sicherheit der Antibabypille. Das Artikelarchiv unter dem Spiegel-Antibabypillen-Loblied auf das revolutionierte Sexualleben enthält in den letzten Jahren vor allem Berichte über Einzelklagen von Frauen gegen BAYER, warnt vor den Folgen der dauerhaften Hormonbehandlungen. Nur ist es kein Einzelfall, auch wenn sich alle Frauen so fühlen sollen, wenn allmonatlich Spannungsgefühle in der Brust, Migräne, fremdes Hautgefühl, kurz: Lustkiller erster Ordnung die sexuelle Revolution stören.

Eine Leipziger Paarberaterin stellte, wenn die Unlust der Partnerin ein Thema des heterosexuellen Beziehungsfrustes war, immer zuerst die Frage, wie das Paar verhütet. Zumeist war es die Frau, die die Pille nahm. Sie machte dann grundsätzlich einen, viele überraschenden Vorschlag. Probieren Sie mal die Verhütung ohne Pille, in beiderseitiger Verantwortung durch andere Sexpraktiken an den kritischen Tagen, mit Gummi, was immer ihnen einfällt. Die ›Effekte‹‹ waren beeindruckend – außer für ihr Behandlungshonorar. Jetzt sehen wir noch Frauen vor uns, die von Beginn an nicht bereit sind, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen zu schlucken. So kommt es vor, dass sie ihre Restpackungen der seit drei Monaten verordneten Pille ihrem Gynäkologen auf den Tisch werfen und wissen wollen, ob er sowas auch seiner Tochter verschreiben würde. Die prompte Antwort heißt: ››Nein‹‹. – ››Was dann?‹‹ – ››Versuchen Sie es mit einer Spirale…‹‹. Entnervt liest jede Frau sich dann noch einmal die Anleitung zur uralten Temperaturmethode nach Knaus und Ogino durch, die immer gespickt ist mit Anweisungen für ein geregeltes Frauenleben. ››Am besten sie gehen immer 22 Uhr zu Bett.‹‹ und schon hört man die Sprüche der Mütter und älteren Schwestern: ››Das erste Kind heißt Knaus, das zweite heißt Ogino‹‹. Heute gibt es dafür Verhütungs-Apps, wo immer die Daten landen. Die Unsicherheit bleibt.

 

2019 – Utopien und Dystopie

Bis heute wird stoisch überhört, dass eine der ersten Forderungen zumeist heterosexuell aktiver Frauen der Neuzeit lautete: ››Mein Bauch gehört mir‹‹. Sie hat auch nach einem halben Jahrhundert nichts mit Erregung, Sex und Orgasmen zu tun. Es geht um die gesellschaftliche Garantie reproduktiver Rechte, die – von der Fruchtwasserspiegelung[ii] bis zur Fristenlösung – uneingelöst sind. Der Mythos, dass hormonale Verhütungsmethoden das Sexualleben revolutionierten, ist eine Männerfantasie.

Eine uralte Utopie, die die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin und eine sexuelle Revolution irgendwie zusammenbrächte, hat ihren Zauber in diversen Formen künstlicher Befruchtung, die es inzwischen gibt, und der Verlagerung der kompletten Schwangerschaft jenseits des Bauches derer, die aufgrund ihrer biologischen Disposition gebären könnten. Letzteres ist bisher unmöglich. Elternschaft könnte komplett neu gedacht werden, ››‚(würden) Kinder […] gleichermaßen für beide Geschlechter geboren werden, oder unabhängig von beiden […] Die Tyrannei der biologischen Familie wäre zerschlagen.‹‹, zitiert Antje Schrupp in der Einleitung ihres 2019 erschienenen Essays Schwangerwerdenkönnen aus Shulamith Firestones Manifest ››Frauenbefreiung und sexuelle Revolution‹‹ von 1977.

Die Utopie von der körperlosen Reproduktion zukünftiger Menschen konstruieren jedoch Abtreibungsgegner*innen ideologisch schon lange in die Gegenwart, patriarchale Denkmuster und kulturelle Vorstellungen nutzen, dass Frauen zum Beispiel ››empfangen‹‹. Sie stilisieren den Körper von Schwangeren zur ››passiven Umgebung‹‹ herum um einen eigenständigen Fötus. Menschen, die schwanger werden können, sind für sie verantwortlich, ordentlich zu verhüten und rechtlos, wenn eine Verhütung von geplatztem Gummi tendenziell bis zur Vergewaltigung versagt hat.

Margaret Atwoods entwarf 1985 in Handmaid’s Tale/Bericht einer Magd eine mehrfach verfilmte patriarchale Dystopie. 2019 erscheint der 2. Band The Testaments/ Die Zeuginnen. Der Geist der Bevölkerungspolitik, den die kanadische Schriftstellerin im faschistoiden Staat Gilead imaginiert, füllt seit Jahren etliche Programme und Auftritte rechtsradikaler Parteien, Manifeste misogyner Terroristen, treibt Regierungen wie in Polen oder Ungarn mitten in Europa an und kreuzt sich im Alltag sogar bestens mit den unhinterfragten Herrschaftserfahrungen des Altherrensexismus. Linke Popikonen wie Slavoj Žižek müssen 2019 Frauen noch immer mitteilen, dass sie besser die Klappe halten, weil es unsexy sei, Einvernehmlichkeit aus weiblicher Perspektive definieren zu wollen.

In der Vorweihnachtszeit 2019 wird die Berliner Ärztin Bettina Gaber rechtskräftig verurteilt. Sie informierte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt und welche Arten. ››In vielen Ländern werden Schwangerschaftsabbrüche heute zu 50–80 Prozent medikamentös durchgeführt. In Deutschland sind es nur etwa 15 Prozent.‹‹ Diese schonende Methode ist zugleich sicher und preiswert, verkleinert allerdings auch die Honorare der Ärzteschaft. In Deutschland ist nicht nur die Informationspolitik zu Schwangerschaftsabbrüchen repressiver als in anderen Ländern mit moderaten Fristenregelungen, selbst Ärztinnen und Ärzte sind mangelhaft über den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch informiert.

Auch wenn Frauen seit 100 Jahren wählen dürfen, ist die Einnahme der Pillen für einen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nur unter Aufsicht in einer gynäkologischen Praxis erlaubt.

 

2020 – Die Privilegien der Frauen

››Obwohl wir schon lange für Gleichberechtigung kämpfen, haben wir sie immer noch nicht erreicht. Corona zeigt uns: Wir bewegen uns sogar rückwärts. Wir haben Blumen verschenkt aus Dankbarkeit – an die Frauen, die den Laden gerade am Laufen halten. Aber von Blumen kann man nicht die Miete zahlen. Mit Blumen kann man keine Kinder betreuen und Blumen schützen nicht vor Gewalt. Wir wollen keine Blumen, wir wollen gleiche Rechte.‹‹ So beginnt ein Aufruf, für den während der ersten Welle der Corona-Pandemie am 8. Mai auf Twitter geworben wird.

››Sie haben gleiche Rechte! Das was Sie wollen sind Privilegien!‹‹, schrieb ein Fox Mulder darunter.

Die Corona-Pandemie überrascht einige, die bis dato glaubten, Emanzipation ist irgendwie auf halbem Wege und guter Dinge. Unsere Kanzlerin lässt sich mitten im ersten Lockdown von 24 Experten und 2 Expertinnen zu Exit-Strategien durch die Leopoldina beraten. Man muss sicher kein Huhn sein, um über ein Ei reden zu können. Doch über eines der dicken Eier der Pandemie – Was wird aus ›unseren‹ Kindern? – geben die Empfehlungen der Experten, die ohne jeden Studienhintergrund entstanden, zu den Erfahrungen der Geschlechter während der strengen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung, keine oder ziemlich absurde Antworten. Dabei kann man getrost davon ausgehen, dass die beratenden Herren der Runde genauso viele Kinder oder Enkel haben, wie ein Team von Beraterinnen gehabt hätte, vielleicht sogar mehr.

Stillschweigend erledigen mehrheitlich Frauen, die sich in einem coronabedingten Homeoffice wiederfinden, Job, Haushalt, Kinderbetreuung. Der Rest wird an der Kasse, in der Pflege, bei der Reinigung gebraucht. Für deren Kinder gab es eine ››Notbetreuung‹‹. Von der Kita als Bildungsort hält Deutschland offenbar auch 2020 nichts. Dann taucht ein weiteres Problem auf. Viele osteuropäische Frauen arbeiten in der privaten ambulanten Pflege. Corona lehrte uns jedoch den Unterscheid zwischen Spargelernte und Pflegediensten. Die Pflegekräfte haben kurzerhand Anfang März die freie Wahl sich, gleich für mehrere Wochen, ihre eigenen Kinder Schwestern, Müttern, Freundinnen überlassend, im Haushalt ihrer deutschen Klient*innen niederzulassen oder nicht zu wissen, wie sie ihre weitere Existenz sichern. Das wird genauso grau geregelt wie zuvor, ganz ohne laute gesellschaftliche Debatte oder ein Lösungsangebot außerhalb der Kasernierung der Pflegenden in die Haushalte der Klienten.

Und dann finden einige Frauen mitten in der Umorganisation des Lockdown-Alltags immer noch die Zeit, sich zu Wort zu melden und Aufrufe gegen das Schenken von Blumen zu starten. Sie fordern nur das Nötigste, angemessene Bezahlung, Betreuung und Bildungschancen für die Kinder. Sie verlieren kein Wort zur überfälligen Abschaffung der strafrechtlichen Verfolgung des Schwangerschaftsabbruches, gerade mal bessere Information zu Schwangerschaftsabbrüchen anzumahnen, das ist die aktuelle Devise. Unter dem Aufruf muss noch ein Jens kommentieren: ››Dass ihr nun schon für Kindererziehung bezahlt werden wollt und nur durch gesetzliche Regelungen, Quoten und nicht durch Fleiss, Stärke, eigene Weiterbildungen, Kämpferische Einstellungen im Job vorwärts kommen wollt, dann macht ihr euch das zu einfach. Mich hat niemand unterstützt.‹‹

In einem Klima der allseits geförderten patriarchalen Verblödung, wird in Titelzeilen beklagt, dass zum Hygienekonzept der Männer-Fußball-Bundesliga gehört, dass sich unsere Fußballer ihre Betten in den Mannschaftshotels selbst beziehen müssen. Dagegen sind berufliche Anerkennung von Frauen, Unterstützung bei der Betreuung und bessere Informationen, sollte die Intimität des Lockdowns zu einer ungewollten Schwangerschaft geführt haben, natürlich anmaßend, ein Privileg geradezu. Daran muss Frau unaufhörlich denken, wenn sie während des Lockdowns ziemlich zügig eine gynäkologische Praxis ansteuern muss. Eine geöffnete Beratungsstelle, die die vom Gesetzgeber vorgesehene Zwangsberatung anbietet, ist dann schon wie eine Offenbarung. Weder ein Ende der Zwangsberatung noch die Streichung des Schwangerschaftsabbruches aus dem Strafgesetzbuch wurden in dem Aufruf mit seinem Hashtag #keineBlumen gefordert. Erst einmal nur etwas bessere Information. Die Schocks der Pandemie haben ganze Arbeit geleistet.

Und so kommt es, wie es manchmal kommen muss. Eine junge Beraterin einer solchen Schwangerschaftskonfliktberatung, die letzte, die in der verkürzten Öffnungszeit erreichbar war, fragt mit dem wissenden Unterton der Kompetenz eine Frau Mitte Vierzig: ››Auch wenn sie sich schon bei ihrer Entscheidung für den Schwangerschaftsabbruch sicher sind, wollen wir uns mal über Schwangerschaftsverhütung unterhalten?‹‹ Lang und leicht abwesend, weil sie schon fünf SMS von ihren beiden Söhnen hatte, wann denn nun die Pizza kommt, schaute die Frau in das Gesicht der jungen Beraterin, die ihre Tochter hätte sein können. Plötzlich lächelte sie: ››Raten sie mal mein Geburtsjahr?‹‹››Sorry, äh, ja, Entschuldigung…‹‹ Die leicht errötete junge Beraterin schiebt den gesetzlich notwendigen, anonymisierten Schein mit Stempel und Unterschrift über den Tisch. Die Krankenkasse entscheidet bei einem weiteren Termin für eine Kostenübernahme, da die Frau coronabedingt Kurzarbeitergeld bekommt. Welches Privileg, wir schreiben 2020. Frauen können allein zur Krankenkasse gehen und eine Kostenübernahme für einen Schwangerschaftsabbruch erfragen, wenn sie gerade nicht genug verdienen. Das wird dann so gehandhabt, dass niemand davon erfährt. Der Gesetzgeber hat mitgedacht. Die beiden folgenden Termine in der gynäkologischen Praxis sind dann der pure Ausdruck eines überbordenden Vertrauens des Gesetzgebers in die Fähigkeit von Frauen, Tabletten einzunehmen. Bei einer telemedizinischen Lösung wären Frauen auf dem platten Land wegen des schleppenden Breitbandausbaus benachteiligt. Das will der Gesetzgeber dann doch nicht. Einfach so einige Frauen benachteiligen. Diese Tabletteneinnahme wird also auf Wunsch des Gesetzgebers, der das mit der Würde des Menschen irgendwie verschieden auslegt, überwacht. Auch Ausgangssperren während der Corona-Pandemie können daran nichts ändern. Sie braucht dann noch einmal das Auto der Freundin, um eine Nachuntersuchung via Ultraschall zu absolvieren und zu hören, dass sie nun endlich nicht mehr schwanger ist.

 

2020 – Aber bei Frauen weiß man nie genau

Mitten in der Corona-Krise muss Unterhaltung her. Eine Talkshow. Eine Astronautin ist zu Gast. Sie war vor Kurzem noch eingesperrt in die Raumstation ISS. Sie ist gewissermaßen ein Profi in einschränkenden Extremsituationen. Klug, sie in eine Talkshow unseres geliebten öffentlich-rechtlichen Fernsehens eingeladen zu haben.

››Hatten Sie eine Sonderrolle, weil sie eine Frau sind?‹‹, fragt Bettina Böttinger die Italienerin Samantha Cristoforetti beim ››Kölner Treff‹‹. Die unendlich freundliche, geduldige Pilotin bremst die Frage mit dem Verweis auf mindestens sechs sehr individuelle Charaktere an Bord der ISS aus. Doch Frau Böttinger will wissen, was sie als Frau im All tun konnte, um ››Spannungen auszugleichen.‹‹ Vermutlich fällt ihr einiges ein, womit Frau Böttinger nicht gerechnet hätte, sie aber auch nichts angeht. Dann ist die Moderatorin leicht entrüstet, als die Astronautin zu Protokoll gibt, sie würde gern in zwei Jahren erneut ins All. Die Moderatorin hält deshalb fest, dass Samantha Cristoforetti demnach vorhabe, schon wieder ihre Tochter unbeaufsichtigt zu lassen, während die Astronautin lächelnd auf ihre Vorbildrolle gegenüber einer mitfiebernden Tochter setzt, die das dann doch schon viel besser versteht. Wir wissen inzwischen noch immer nichts darüber, was sie auf der ISS erforscht hat und haben es in dieser Sendung auch nicht erfahren. Allerdings demonstriert die Astronautin, wie man die Fassung behält, wenn André Rieu von der Seite einwirft: ››Und wer putzt denn da, wenn sie jetzt hier sind?‹‹.

Samantha Cristoforetti zeigte 2020 vor laufender Kamera, wie Frauen ihr ganzes Leben lang gelernt haben, nicht auszurasten. Wir haben gelernt, zu registrieren, innere Monologe zu führen, wie Desfred, die Dienstmagd aus Margaret Atwoods Roman. Egal, wer wir sind.

 

2020 – Frauen und Matrosen

Was in Seenot gilt: ››Frauen und Kinder zuerst!‹‹ stammt aus dem langen Kanon kultureller und politischer Vereinbarungen, dass Frauen schwächere Gesellschaftsmitglieder sind, unlösbar mit Kindern verkoppelt, denen im kritischsten Fall geholfen werden muss. Was ein kritischer Fall im Leben einer Frau ist, entscheidet sie allerdings genau wie bei Katastrophen nicht etwa selbst. 2020 mitten in den ersten Corona-Lockerungen muss unbedingt ein neues Gesetzes über Adoptionshilfe her, bei dem von nun an lesbische Paare eine Zwangsberatung bei der ohnehin diskriminierenden ››Stiefkindadoption‹‹ machen müssen. Vergleichbares gibt es bei heterosexuellen Ehen nicht. Es ist schon einigermaßen absurd, wenn Staat, Kirche und unser patriarchaler Alltag in allen erdenklichen Stereotypen und praktizierten Lebenserfahrungen pflegt, dass Frauen qua Geschlecht besser als jede KiTa sind, nur ausgerechnet lesbische Frauen von diesem diskriminierenden Biologismus ausgenommen werden, um ihn mit einem anderen zu ersetzen. Plötzlich soll die sexuelle Orientierung von Frauen im Konflikt zu ihrer Befähigung stehen, Kinder groß zu ziehen. Anstatt die ››Stiefkind‹‹-Adoption endlich abzuschaffen, wird mitten in den Corona-Lockerungen der vormundschaftliche Staat gegenüber Frauen in Deutschland um ein weiteres Rädchen angezogen. Bis gestern dachten wir, sowas fällt nur Viktor Orbáns Regierung ein.

 

2020 – Frauen brauchen Schutz – die Welt ist gefährlich

Eine der Fake-News der Corona-Leugner*innen ist die Geschichte, dass Bill Gates mit Tetanus-Schutzimpfungen, die über seine Stiftung finanziert werden, in Afrika auch Geburtenkontrolle durch Zwangssterilisationen ausgeübt hätte. Die Katholische Kirche hatte Untersuchungen der Impfstoffe in Auftrag gegeben, in denen Spuren von Choriongonadotropin Beta-hCG nachgewiesen worden seien. Real ist hingegen der Einsatz dieses Hormons als Verhütungsmittel in freiwilligen Tests, was man durchaus auch kritisieren kann. Wir wissen, wo Freiwilligkeit in schwierigen Lebenslagen endet. Zugleich fragt man sich allerdings, wo all die Protestierenden gegen die Schutzmaßnahmen der Pandemie-Eindämmung mit ihrem Expertenwissen, was sonst noch so in der Welt vor sich geht, waren, als staatliche Bevölkerungspolitik in Indien, China, Bangladesh u. a. Ländern gegen Schwangerschaften vorging und Sterilisierungen anpries. Während es früher ausschließlich Frauen traf, die auf unterschiedlichen Wegen über behördliche Programme von Sterilisierungen überzeugt wurden, werden inzwischen in Indien heute sowohl Vasektomien als auch Sterilisationen angeboten und oft unter miserablen Bedingungen durchgeführt. Die Ärmsten tauschen den Verlust von Zeugungsfähigkeit und Fruchtbarkeit durch staatliche Anreize und erhalten für diese Entscheidung Handys oder Lottoscheine, wenn sie die Eingriffe überleben.

 

2020 – Jetzt müssen wir doch mal mehr auf Frauen hören

Obwohl Jutta Allmendinger schon seit Jahren wiederholt, dass die sozial-ökonomischen Sicherheiten für Frauen hierzulande noch immer auf dem Heiratsmarkt größer sind als auf dem Arbeitsmarkt, wird sie mitten in der Corona-Krise erstmalig in Talkshows und Abendnachrichten geholt. Seit Jahren begleitet sie politische Diskurse als Sachverständige, z. B. die sogenannte ››Wachstums‹‹-Enquete des Bundestages 2011/2012. Doch ihre Überlegungen schafften es nie in relevante mediale Öffentlichkeiten.

Die Freude, dass einer feministischen Soziologin 2020 zugehört wird, ist kurz.

 

Preview: 2021

Der zweite Lockdown, der sich bis in den März 2021 hinzieht, verläuft ohne Hamsterkäufe. Der Impfstoff VPM1002, eine genetisch veränderte Version des uralten Lebendimpfstoffs Bacillus Calmette-Guérin (BCG), der vermeintlich schwere Covid-19-Verläufe um 50% reduziert, wird auch auf der Nordhalbkugel knapp.

Die Lage von Frauen während der Lockdowns in der Corona-Krise differenziert zu bewerten, hat das Regierungshandeln nie berührt. Die Bildungssoziologin Allmendinger wurde genau in dem Moment ein gern gesehener Gast in Talkshows, wenn es um Versäumnisse im eLearning oder um Lockerungsdiskurse der Wirtschaft ging. Dann ist eine Stimme gefragt, die wiederholt, warum die Kombination von Home-Schooling und Home-Office nicht funktionieren kann und dass es verwerflich ist, insbesondere Frauen nach 100 Jahren wieder ohne Perspektive zu Hause einzusperren. Kinder, selbst mit dem besten Computer ausgestattet, brauchen Bewegung und andere Kinder, eine Schule, die sie im besten Falle mitgestalten. Manches klingt wie ein einziges Mittelstandsproblem, obwohl auch Frauen in Kurzarbeit oder weil sie arbeitslos sind wieder zu Hause festsitzen. Wieder andere Frauen machen während aller Lockdowns kaum andere Erfahrungen als sonst. Sie sitzen an der Kasse, arbeiten in der Pflege, im Krankenhaus, in der Reinigung oder bei der Postzustellung. Wenn Frau Allmendinger in Talkshows spricht, schlafen diese Frauen längst, kommen von der Spät- oder gehen zur Nachschicht, ziemlich unwahrscheinlich, dass sie eine Mediathek nach einer feministischen Soziologin durchforsten, die dann auch noch zumeist vom Homeoffice erzählt, was sie eigentlich nicht betrifft, wenn es mit der ››Notbetreuung‹‹ geklappt hat. Klar ist nur eines: Hauptsache Fußballspiele werden wieder übertragen. Frauen sind gewöhnt, dass ihre Probleme immer aus der Opferperspektive besprochen, aber nie gelöst werden. Wer soll sich das noch anhören? Manchen Männern im Transportgewerbe oder in der Postzustellung geht es ähnlich. Doch insgesamt halten Frauen, wie die Kanzlerin es schon 2020 ins Bild brachte, ››den Laden am Laufen‹‹, auch 2021 und auch wenn sie es sind, die als erste dauerhaft einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt waren und als letzte getestet wurden.

Die Drogeriekette DM hat ihren Verkäuferinnen zum zweiten Mal vor den Sommerferien einen 180-Euro-Gutschein für ihre eigenen Produkte als Dank für ihren Corona-Einsatz überreicht, einen Blumenstrauß mit Vorteilsgarantie.

Die Opposition poliert vor den Bundestagswahlen ihre sogenannten Markenkerne. Das linke Spektrum wappnet sich gegen den Klimawandel, für höhere Löhne – auch in der Pflege –, eine sanktionsfreie Mindestsicherung, eine Vermögensabgabe. Die FDP kämpft für den Markt und die AfD für die Freiheit der deutschen Familie, die Abschaffung des Euro und gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren.

Die feministische Kritik Allmendingers wird erfolgreich geschluckt. Sie zeigt einerseits, dass in den Medien verschiedene kritische Sichtweisen auf die Krisenbewältigung kursieren können, denn beim Schutz der Fraueninteressen sind sich doch alle irgendwie einig, auch wenn das jede politische Richtung am Ende anders definiert. Feministische Kritik ist ein Element demokratischer Auseinandersetzung, ein schillerndes Ventil. Andererseits spricht Allmendinger offensichtlich nicht für alle Frauen, das lässt sich je nach Bedarf auch kritisch einwenden. Die mahnenden Worte Allmendingers nutzen ein ums andere Mal die Wirtschaftsverbände: ››Öffnet die KiTas! Öffnet die Schulen!‹‹ Denn das lässt sich wunderbar verbinden mit: ››Lasst uns die Wirtschaft wieder hochfahren! Wir Jungs ziehen dann die Karre aus dem Dreck!‹‹ Hängt euch noch Tracing-Apps um, dann bekommen wir alles hin.

Irgendwann 2021 gibt es wieder Ärger in der Fleischindustrie. Der innereuropäische Rassismus ist damit medial nicht mehr nur ein ››Frauen-Problem‹‹, obwohl wesentlich mehr Rumäninnen in der Prostitution als Rumänen in der Fleischindustrie arbeiten, zumindest wenn nicht gerade Lockdown ist. Während der 2. Pandemie-Welle Ende 2020/Anfang 2021 verweigerten dann viele Polinnen die erneute wochenlange Unterbringung bei ihren zu pflegenden Klienten, um das Weihnachtsfest zu Hause mit ihren Kindern und Freunden feiern können. Auch wenn sie damit ihre Existenz aufs Spiel setzen, würden sie alle soziale Integration verlieren, wenn sie im Advent nicht in ihrer Katholischen Kirchengemeinde präsent sind. Migratinnen und Migranten, insbesondere aus Syrien, Afghanistan, Irak und Rumänien, die ohnehin schon verstärkt in der Pflege arbeiteten, erobern sich – zumindest in den deutschen Großstädten – Schritt für Schritt die Jobs in den privaten Pflegeangeboten. Muslime feiern ja ohnehin keine Weihnacht.

Alle öffentlich diskutierten wirtschaftlichen Wiederbelebungsmaßnahmen nutzen die Kommunikationserfahrungen von 2020. Die Verluste an Mobilität, die abgesagten Urlaube und die Sehnsucht nach dem Meer oder den Alpen führte dazu, dass schon 2020 nach 8 Wochen die Abwrackprämie und Not leidende Fluggesellschaften in den Medien alle bewegten. Die starken Lobbyisten der Industrie können alltägliche Hoffnungen auf ein Leben nach Corona für sich nutzen.

Eine Neubewertung von Erziehung und Pflege, von Reinigung, Einzelhandel und Gaststättenservice spielt im Bundestagswahlkampf 2021 keine Rolle mehr, denn die Formel, an den Beifall für die Pflege zu erinnern, ist längst gefunden: ››Ja, liebe Frauen, das letzte Jahr hat uns Vieles gelehrt. Wir haben verstanden und wir haben Wort gehalten: Ihr bekommt jetzt auch noch eine Grundrente.‹‹ Dieses Paket setzt eine ununterbrochene 35jährige Vollzeit-Berufstätigkeit voraus. Ausfall für Kindererziehung, Pflege oder Teilzeit verhindern, dass Grundrente überhaupt beantragt werden kann. Vielen Frauen wird sie also nicht offen stehen. Doch solche Details ernüchtern erst nach der Wahl. Linke und Sozialdemokraten werden nicht müde, im Bundestagswahlkampf zu betonen, dass sie die Christdemokraten zur Umsetzung dieses Wahlversprechen, einmal als Opposition und einmal in der Regierung, getragen haben. Aber da hört niemand mehr hin, da sie selbst nach der Bundestagswahl nicht wissen, ob sie regieren oder opponieren wollen.

2021 erscheint überraschend Margaret Atwoods dritter Roman, der die Geschichte der Magd Desfred fortsetzt. Die utopischen Rollbacks ähneln immer mehr der Wirklichkeit. Polen hat den Schwangerschaftsabbruch bei Vergewaltigung unter Strafe gestellt. Ungarn hat geschlechtsangleichende Operationen untersagt. Wissenschaftliche Analysen werden europaweit wieder mehrheitlich von Männern verfasst, so wie es in den Wirtschafts- und Naturwissenschaften und deren Publikationen schon immer praktiziert wird. Die Corona-Wellen drängen Frauen aus den Wissenschaften, den Medien, der Politik. Die Räume, die ihnen das Leben zuweist, sind mehrheitlich schlecht bezahlte Jobs, Bordells inklusive oder das traute Heim. Und dann gibt es noch Chancen als Next-Top-Model, Politikerin oder Schauspielerin, wem das Vorzimmer nicht reicht. Das deutsche Problemfernsehen schafft es einmal mehr, sich dem Standard, dass Frauen einfach Job und Kinder nicht unter einen Hut bekommen wollen, mal komisch, mal dramatisch zu widmen.

Einige Institute an Universitäten und Instituten werden geschlossen, Frauenforschung und vor allem Forschung zu mehr als zwei Geschlechtern zuerst. Während Ungarn feministische Soziologie als Teufelszeug von George Soros verbietet, zeigt Polen, wie man Reproduktionsmedizin 2021 definiert. Frauen werden zur Gesundheitsvorsorge verpflichtet, Empfängnisverhütung wird für bestimmte Jahrgänge und Familienstände ausschlossen und Geburtsvorbereitung in den Mittelpunkt gestellt, damit der unerreichte Reiz der Polinnen nicht von anderen Rassen verdrängt wird.

Deutschland erstaunt kurz vor der Bundestagswahl mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Paritätsgesetze in allen Parlamenten als Eingriff in die Autonomie von Parteien verwirft. Wer eine Mehrheit gegen eine andere Mehrheit ausspielt, wirft unzulässigerweise die Frage nach Quoten für Minderheiten auf. Dies zeigt die Spirale und den Irrweg aller Quotendebatten und deren Versuche, sie in Gesetze zu pressen. Das Urteil nimmt auch eine Bewertung der zickzackartigen EU-Gleichstellungspolitik vor, weil die unterschiedlichen Signale aus Brüssel nur noch irritieren. Während die frauenrechtlichen Vorstöße des Estrella-Berichts des Europäischen Parlaments über sexuelle und reproduktive Rechte 2013 noch abgelehnt wurden, schienen seit der Annahme des Berichtes von Mark Tarabella 2015, der Abtreibung als Menschenrecht fasst, Abtreibungsgegner*innen kurz geschockt. Doch die neue Zusammensetzung des Europaparlaments seit 2019 erweist sich als Garantin, dass mit Corona im Gepäck derartige politische Vorstöße wie 2015 in Zukunft unterbleiben. Vor diesem Hintergrund fordert das Bundesverfassungsgericht die EU-Kommission auf, Klarheit zu schaffen und die Verhältnismäßigkeit der Priorisierung der Gleichstellungspolitik mit den Herausforderungen des Klimawandels und der Digitalisierung endlich maßvoll abzuwägen.

Margaret Atwood offenbart in dem neuen Band Die Grenzgängerinnen/Frontier walking women überraschenderweise, dass der faschistische Staat Gilead tatsächlich mit Unterstützung der ››freien Welt‹‹ aufgebaut und am Leben gehalten wurde. Die Handelsbeziehungen waren wesentlich umfangreicher, als es in den ››überlieferten Quellen‹‹ bisher angedeutet wurde. Rechtsfreie Leihmutterschaften standen als Verhandlungsmasse schon im Roman von 1985. Man ist mit den Entdeckungen der Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen im fiktionalen ››Gilead‹‹ durch die ››freie Welt‹‹ unwillkürlich erinnert an die Milde gegenüber Menschenrechtsverletzungen, die z. B. Deutschland seit Jahren gegenüber dem Iran oder Saudi Arabien zeigt. Die verschriftlichten Protokolle von Diplomaten der ››freien Welt‹‹ in Atwoods neuem Roman verdeutlichen, dass die Probleme, die die modernen Demokratien plagen, denen, die ››Gilead‹‹ zu lösen versuchte, letztlich nicht unähnlich sind. Ob sie nun ››Überbevölkerung‹‹ oder ››Gebärstreik‹‹, Atom- oder Sonnenenergie, Wasser oder Biodiversität heißen, eine strikte Bevölkerungspolitik, die die staatliche Geburtenkontrolle gegenüber Menschen, die schwanger werden können, ausübt, bleibt ein wachsender Schatten über allen politischen Entscheidungen, vom Handelsabkommen bis zu Mikrokrediten.

Vergleichbar manchen Befunden, wie ein Land der ››Freien Welt‹‹ in einen faschistoiden Staat abrutschen konnte, die Atwoods im dritten Roman wesentlich deutlicher herausarbeitete, gestalten sich die realen Post-Corona-Gesellschaften 2021, die Wahlkämpfe, die politischen Versprechen, die gesellschaftlichen Debatten. Konservatismus ist Trumpf. Wer gut verdienenden ››Familienvätern‹‹ hilft, hat der ganzen Gesellschaft geholfen. Das gilt in Deutschland wie  in Rumänien, im Iran wie in den USA.

Einige Frauen wollen auch 2021, ähnlich wie in Atwoods neuem Roman, leben wie sie wollen. Sie scheren sich nicht um die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr, sondern befinden, dass eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einer der Auswege aus der Corona-Krise sei. ››Neuseeland rules‹‹, heißt die neue Devise. In den Vorweihnachtswochen verläuft sich diese Idee, wenn es wieder für alle verständlich säuselt: ››Stille Nacht, heilige Nacht…‹‹. Hinter den Kassenbändern an den verkaufsoffenen Sonntagen sieht man zunehmend junge Männer als Kassierer.

 

[i] ››Zehn Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind ostdeutsche Frauen, in aller Regel ehemalige DDR-Frauen In den vergangenen Jahren wurden ihnen recht unterschiedliche Etiketten verpaßt. Sie seien die ›Verliererinnen der deutschen Einheit‹, weil restaurative Tendenzen vor allem zu ihren Lasten gingen Sie seien mit ihrer ›ungebrochenen Erwerbsneigung‹ aber auch das eigentliche Problem des ostdeutschen Arbeitsmarktes, weil sie die Männer so erfolgreich vom Arbeitsmarkt verdrängen (Biedenkopf) würden. Sie seien ›Rabenmütter‹ und für eine ganze Generation von ›Sozialwaisen‹ (Speidel) verantwortlich zu machen…‹‹ aus Bomke, Heidrun: Erleben, Erzählen und Erforschen oder Von der noch anhaltenden Suche nach den ››EigenArtigen Ostfrauen‹‹. In: Freiburger FrauenStudien 2/99. S. 43. Detaillierte Befunde zu Unterschieden in den Einstellungen zur Erwerbsarbeit von Frauen sind u. a. hier zu finden: Eva Schäfer/Ina Dietzsch/Petra Drauschke/Iris Peinl/ Virginia Penrose/Sylka Scholz/Susanne Völker (Hrsg.): Irritation Ostdeutschland – Geschlechterverhältnisse in Deutschland seit der Wende. Münster, 2005

[ii] Christine Morgenroth: Sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Ulla Schmidt. In: Oskar Negt (Hg.): Ein unvollendetes Projekt – Fünfzehn Positionen zu Rot-Grün, Göttingen 2002, S. 105ff.

 

 

 

 

ist Kulturwissenschaftlerin und Mitherausgeberin von Grenzgängerin.